Schottland 2003

Im Sommer 2003 bewanderten wir einige Etappen des West Highland Ways. Da es sich um unsere erste Rucksacktour handelte, hatten wir unfassbar schwere Rucksäcke und kamen natürlich damit nicht ans geplante Ziel nach Fort William.
Dies lag auch an den massenhaft auftretenden schottischen Midges, die uns auch noch das letzte Tröpfchen Blut aussaugen wollten.




Eindrücke von den ersten Touren des West Highland Ways



Erfahrungebericht frei nach dem Tagebuch:

Von Glasgow machten wir uns auf den Weg zur Bushaltestelle nach Balmaha.

In Balmaha angekommen mussten wir leider feststellen, dass der angekündigte „Supermarkt“ ein 4m² großer Verschlag war, wo es außer einem tiefgefrorenen Toastbrot, einer Dose Bohnen und ein paar Schokoriegeln nichts Essbares zu kaufen gab. Wir hatten leider versämt in Glasgow Nahrung zu kaufen.
Dies konnte unsere Stimmung aber nur kurzzeitig trüben, und so machten wir uns frohen Mutes auf den Weg zu unserer ersten Station, dem Zeltplatz von Cashel.

Auf dieser ersten, nur 5 km langen Etappe hatten wir nur einen kleinen Anstieg zu bewältigen, der uns eine schöne Aussicht, aber auch schon schmerzende Rücken bescherte.
Als wir den Zeltplatz schließlich erreichten, machten wir erste Erfahrungen mit den Midges, kleinen blutsaugenden Biestern, die wir aber auf Grund ihrer geringen Größe und ihrer Reaktionsträgheit (sie lassen sich ganz einfach mit dem Finger zermatschen) noch belächelten.
Nachdem wir die Zelte aufgebaut hatten (Jens hatte dabei in einer unglaublichen MacGyver Leistung das Vorzelt an Gestrüpp und Bäumen befestigt), schlüpften wir auch schon bald in die Schlafsäcke.
In der Nacht wurden unsere Zelte und unsere Nerven auf eine erste Probe gestellt - ein Unwetter mit Sturm und Gewitter entlud sich über uns. Begleitet wurde das ganze durch einen starken Dauerregen, der uns immer wieder das Zelt auf seine Dichte überprüfen ließ.
An Schlaf war also nicht zu denken, und so harrten wir in unseren Schlafsäcken aus, bis der Morgen kam und sich mit ihm das Gewitter verzog.
Lisa und ich waren trocken geblieben, weniger Glück hatten aber Nadja und Jens unter deren Zelt sich ein See gebildet hatte, der sich auch letztlich in Ihrem Zelt ausgebreitet hatte.

Alles in allem hatten wir eine sehr unruhige erste Nacht im Zelt hinter uns und müde aßen wir am Ufer des Sees, an dem der Campingplatz lag, unser karges Frühstück. Es gab angetautes Toastbrot mit Erdbeermarmelade bzw. Toast mit kalten Bohnen, obwohl diese eigentlich als Notration vorgesehen war.

Wir trockneten unsere Zelte noch ein wenig in der Morgensonne bis wir aufbrachen. Entlang des Loch Lomond schlängelte sich der Weg nun schön vorwärts und bald hatten wir die meisten Mitcamper auch wieder eingeholt.
Nach ein paar Stunden Marsch kamen wir in ein „Dorf“, wo wir völlig erschöpft Mittag machten.
Ich hatte Hunger wie ein Bär und bestellte mir Chili con Carne. Leider war hier wohl beim Kochen die Essigflasche in den Topf gefallen und es war so sauer, dass ich nach ein paar Happen das Gefühl hatte, mein Magen würde sich auflösen.
Mürrisch machten wir uns nach bezahlter Zeche wieder auf den Weg. An einer Wasserstelle trafen wir ein holländisches Pärchen, dass wir schon auf dem Zeltplatz gesehen hatten, wieder.
Sie betrachteten zweifelnd eine gelbliche Flüssigkeit in Ihren Trinkflaschen. Wir stellten schnell fest, dass diese Flüssigkeit das Wasser war, dass man sich hier abfüllen konnte.
Todesmutig füllten wir die Flaschen und da es nicht stank, tranken wir ein paar Schluck und erstaunlicherweise schmeckte es nach gar nichts.
Wir beschlossen nach einem kurzen Blick auf unsere Wanderkarte eine Alternativroute zu gehen um uns einen schweren Anstieg zu ersparen, verpassten dann aber die Abzweigung und so fanden wir uns nach einem harten langen Anstieg völlig ausgelaugt auf einem Aussichtsplatz wieder, wo wir ein Paar aus Bonn (Sylia und André) trafen, denen es genauso ging wie uns.

Nachdem wir uns gegenseitig motivierten („Ab jetzt geht es nur noch bergab!“) und feststellten, dass wir dasselbe Übernachtungsziel hatten, machten wir uns gemeinsam auf den Weg.
Als uns der Weg wieder nach unten an den See geführt hatte und wir eine herrliche Badebucht entdeckten, beschlossen wir 4 uns ein wenig abzukühlen und verabschiedeten uns von Sylia und André, die wir ja dann am Zeltplatz wiedertreffen würden.
Doch kaum hatten wir uns in unsere Badekluft geworfen, war jeder von einem Schwarm Midges umgeben. Diese ließen sich zwar kurzzeitig durch Untertauchen abschütteln, waren aber sofort wieder zur Stelle, wenn man Teile seines Körpers aus dem Wasser streckte.
Somit war unser Badevergnügen nur von kurzer Dauer und hastig zogen wir uns wieder an und machten uns auf den Rest unseres heutigen Weges. (Zitat Tagebuch: Hölle, Hölle, Hölle, Flucht aus dem Blutsaugerschlachtfeld!).
Schließlich erreichten wir das Hotel in Inversanid in dessen Nähe den Wanderern eine Wiese zum Zelten zur Verfügung gestellt wurde.
Doch zuerst missbrauchten wir das Hotel als Basisstation (gelbes gegen klares Wasseraustausch, Körperpflege) und reservierten zusammen mit Sylia und Andre einen Tisch im Hotel, um zusammen Abend zu essen.

Gleichzeitig mit uns war ein Bus mit einer Rentnergruppe eingetroffen, in deren Mitte wir dann unser 3-Gänge Menü einnahmen und wir sorgten an diesem Abend bestimmt für einigen Gesprächsstoff.
Auch beim Kellner hinterliessen wir einen bleibenden Eindruck, da er jedem gefühlte 5 Minuten Erbsen mit einem winzigen Löffel auf den Teller schauffelte und höflich darauf wartete, bis man „Thank you“ gesagt hatte, nachdem er zuvor immer diesselbe Frage in demselben Ton gestellt hatte: „Do you like some peas?“.
Wir hatten an diesem Abend viel Spaß und erfreuten uns an Kartoffelsuppe, Lamm in Minzsoße und ERBSEN und Mouse au Chocolat und Rhabarbercramble.
So gesättigt machten wir uns dann im Halbdunkel auf den Weg zum Zeltplatz, wo wir in aller Hast unsere Zelte aufstellten und auf Grund der Unmengen an Midges auch schnell in selbige schlüpften.
Hatten wir uns im Hotel noch so schön ausgemalt, vielleicht ein kleines Feuerchen zu machen und draußen Karten zu spielen, so war dies auf Grund der hohen Mückendichte unvorstellbar geworden.

Bei Nadja und Jens war leider auch eine nicht vernachlässigbare Anzahl Midges ins Zelt eingefallen, so dass die 2 eine eher unruhige Nacht erlebten.
Morgens um 7 wurden Lisa und ich dann von einem Urschrei geweckt, nachdem Jens und Nadja in den saukalten Loch Lomond gesprungen waren.
Wir machten uns wiederum mit Andre und Sylia auf den Weg zum Hotel um dort unser Frühstück einzunehmen. Dabei beobachteten wir noch auf dem Weg einen Schaukampf 2er Ziegen! (Great cattle fight!!).
Im Hotel wurden wir diesmal in ein eigenes Zimmer geführt, so dass wir (oder die Hotelgäste) völlig ungestört waren. Dort genossen wir unser leckers schottisches Frühstück mit Tomaten, Speck und Eiern.
Nachdem wir noch den Süssigkeitenautomaten des Hotels geplündert hatten, machten wir uns auf den Weg nach Crianlarich. Die Strecke führte immer wieder hoch und runter und auf Grund der teilweise engen Wege und steilen Abstiege, kamen wir daher nur langsam voran. In Doune machten wir bei einem schönen Aussichtsplatz eine Rast in der Sonne und Sylia und Andre teilten Ihre Magnesium- Calcium Tabletten mit uns.
Auf dem Weg zum Campingplatz in Inverarnan sammelten wir einige Zecken auf, die wir aber wieder entfernen konnten, ehe sie es sich zu gemütlich gemacht hatten.
Jens hatte sich bis dahin schon die Innenschenkel wund gelaufen und er und ich wären gerne, wie Sylia und Andre auf dem Campingplatz geblieben, an dem es so gut wie keine Midges und noch dazu einen Shop gab.
Aber Lisa und Nadja wollten weiter nach Crianlarich und so begann, was in die Geschichte als die „große Abkackertour“ oder den „Verlust der Männlichkeit“ einging.
Nach 2km Weg wurde mir etwas schwummrig und mein Rucksack machte mir schwer zu schaffen. Etwas später wurde mir dann kotzübel und ich musste anhalten. Entweder ich hatte mir nen Sonnenstich geholt oder war einfach überlastet, auf jeden Fall konnte ich nicht mehr weiter und so beschlossen Jens, der natürlich nur sehr ungern auf die weiteren 10km verzichtete, und ich uns zur nahegelegenen Strasse aufzumachen um per Anhalter nach Crianlarich zu fahren.
Doch kein einziger Schotte wollte anhalten. Einige hupten und andere zeigten uns sogar den Stinkefinger. Doch schliesslich rettete uns ein älteres französisches Pärchen, dass uns mitnahm. Sie versuchten etwas Konversation zu treiben, doch als ich auf Ihre Frage, ob wir je in Frankreich gewesen wäre, mit „Yes, in London, oh ups sorry Paris of course“ antwortete, hatte sich das auch erledigt.
Jens und ich kamen 2 Stunden vor Nadja und Lisa in Crianlarich an und suchten die Jugendherberge, wo wir Maccaroni und Spaghetti kochten und unsere zwei besseren Hälften umsorgten bis wir nur noch hysterisch lachen konnten. Wir gingen in unsere nach Jungs und Mädels getrennten Schlafräume und schliefen in einem sehr stickigen Zimmer nur unruhig.
Am Morgen diskutierten wir eine Weile, was wir nun machen sollten und Lisa und ich beschlossen die Rucksacktour in Bridge of Orchy abzubrechen und mit dem Bus nach Fort William zu fahren um dort auf Nadja und Jens zu warten.
Jens war zwar auch nicht sonderlich motiviert, aber da Nadja an diesem Tag Geburtstag hatte, wagte er nicht Einspruch zu erheben. Wir beschafften uns etwas zu grillen in dem örtlichen Laden und machten uns dann auf zum Bahnhof, wo wir in den Zug nach Bridge of Orchy stiegen.
Wir wanderten noch weitere 5km bis Inverornan, was nur aus einem Hotel besteht. Ganz in der Nähe des Hotels gab es eine Wiese, wo wir unsere Zelte aufstellten. Im Hotel tranken wir etwas und trafen ein englisches Paar mit 2 Hunden, die voller Genuss meine Beine abschleckten (Die Hunde nicht das Paar natürlich ;-)).
Sie gaben uns ein Midges Spray und wir hörten noch ein paar Storys wie groß die Mücken anderswo sind („In Canada they are sooooo big!“).
Danach gingen wir zum Zeltplatz und grillten. Das Midgesaufkommen war schon sehr hoch, aber wenn man sich immer mal wieder bewegte, konnte man sie abschütteln und wir ließen uns unsere Laune nicht verderben. Danach gingen wir in die Hotelbar um Nadjas Geburtstag noch etwas zu feiern und wir hatten einen lustigen Abend.
Doch was dann passierte glich einem Albtraum. Kaum waren wir in die kühle Nacht getreten waren wir umgeben von Millionen Midges, die einfach überall waren.
Wir rannten zu den Zelten, doch bemerkten schnell, dass auf Grund des Midgesanteil pro Quadratmeter Luft etliche Hunderte schon beim ins Zelt schlüpfen ins Innere gelangt waren. Ich richtete meine Taschenlampe auf das innere Zeltdach und es war schwarz. Ich leuchtete ans Fliegengitter und sah, dass die Biester sich durch das Fliegengitter ins Zelt hineindrückten oder gedrückt wurden.
An Schlafen war so nicht zu denken. Wir flüchteten aus dem Zelt und wanderten erst ziellos umher und überlegten, wie wir vorgehen sollten. Irgendwann rannten wir zu den Zelten, schnappten die Schlafsäcke und machten uns an den Aufstieg zu einer Anhöhe oberhalb des Tales.
Am Gipfel angekommen, merkten wir, dass es dort weniger Mücken gab und wir legten uns müde ins Gras. Doch 2 Stunden später waren die Midges auch auf der Anhöhe angekommen und wir flüchteten noch höher.
Nadja bekam einen Koller und rannte dicht gefolgt von Jens zu den Zelten und wollte alles einpacken und weitermarschieren, sie gaben dieses Vorgehen aber sehr schnell wieder auf. Hier der Auszug aus dem Tagebuch: Weg ins Zelt -Invasion der Midges -Wanderung mit Schlafsack auf den Berg - nach drei Stunden: Holen wir lieber unsere Sachen! - Unten ist die Midges-Hölle! PANIK !!! Wir müssen weg - Midges überall -Flucht, Eskalation!!! -Sonnenaufgang: es werden mehr statt weniger!
Wir irrten noch die ein oder andere Stunde durch das Tal und so langsam dämmerte es und die Luft war voller Midges. Es war wie die Geburt einer riesigen schwarzen Bestie, die aus unendlich vielen winzigen Körpern besteht und doch einen kollektiven Verstand besitzt. Gegen ca halb 6 entdecken wir im Hotel jemanden am Fenster und wir gestikulierten wild, so dass er zur Türe kam und uns reinließ.
Dafür holte er sich zwar einen Riesenrüffel vom Hotelmanager ab, wir waren ihm aber unendlich dankbar dieser Hölle entkommen zu sein. Der Hotelinhaber schickte uns in den Barraum und wir strecken uns müde auf den Holzbänken aus.
Nachdem wir später noch etwas gefrühstückt hatten, machten wir uns nun in einer Midges-freien Umgebung auf den Weg zu unseren Zelten. Dort sahen wir, dass sich überall Midgesleichen befanden.
Selbst in meiner Zahnbürste im Inneren des Rucksackes waren tote Midgesleiber.
Auch Nadja und Jens verspürten noch wenig Lust weiterzuwandern und wir schleppten uns müde zurück zum Bahnhof in Bridge of Orchy, von wo wir direkt nach Fort William fuhren und dort in einem engen Wanderheim übernachteten.
Wir kauften uns ordentlich Hackfleisch, Spaghetti und Salat und machten uns in der Küche lecker Spaghetti Bolognese. Tagebuchabschnitt: Lisa paniert! Eine Tonne Spaghetti gegessen! Geduscht! Keine midges!!!! müde, Schlafen!

Leider war dies dann auch das Ende unserer Wandertour. Wir kamen später nochmal mit dem Mietwagen zurück nach Kinlochleven um mit leichterem Gepäck die "Devil staircase" zu erklimmen, was uns dann auch gar nicht so schwer fiel. ;-)
Irgendwann werden wir diese Tour aber auf jeden Fall nochmal bis zum Ende gehen!!!!"




























Streckenverlauf in 3D

Dieser Google Earth Track wurde erstellt von fernwege.de